Helen Masters, Executive VP und GM International Sales bei Ivanti.

Laut einer aktuellen McKinsey-Studie wurden die beruflichen Chancen von Frauen durch COVID-19 unverhältnismäßig stark eingeschränkt: Ihre Arbeitsplätze waren während der Pandemie 1,8 Mal häufiger bedroht als die ihrer männlichen Kollegen. Die Technologiebranche, die von einer überdurchschnittlich schnellen Erholung profitiert hat, konnte zwar einen leichten Anstieg weiblicher Beschäftigter verzeichnen – gerade in großen globalen Tech-Unternehmen – allerdings auf insgesamt niedrigem Niveau. Obwohl der Technologiesektor bei der Gender-Diversität also hinterherhinkt, schlagen sich Frauen dort extrem gut. Dennoch: Es ist schwer, eine Frau in der Geschäftswelt zu sein, aber es ist noch schwieriger, als Frau in der Technologiebranche zu arbeiten.

Wir befinden uns in einer Zeit der Veränderung – und Technologie steht dabei im Mittelpunkt. Wenn wir über die Zukunft nachdenken und die Grundlagen für eine neue Normalität schaffen, müssen wir gerade auf die weiblichen Führungskräften in der Tech-Branche blicken, die sich aktiv mit diesen Themen auseinandersetzen. Denn der Technologiesektor lernt von ihrem Erfahrungsschatz, die sie durch ihre Perspektiven gewonnen haben.

Inspirieren, Bilden, Fördern

Mit dem Eintritt junger Menschen in ihre berufliche Laufbahn, müssen Tech-Unternehmen bei der Besetzung von Spitzenpositionen ihren weiblichen Mitarbeitern Priorität einzuräumen. Dies hilft, jüngere Frauen zu inspirieren und zu motivieren, gerade wenn sie lebensverändernde Entscheidungen treffen, wie die Wahl der Ausbildung oder des ersten Arbeitsplatzes. Jüngste Studien zeigen, dass Mädchen dazu neigen, eine Karriere zu wählen, in der mehr Frauen in Führungspositionen tätig sind. Denn es vermittelt ihnen das Gefühl, dass sie in einem Unternehmen bessere Chancen haben, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Da die Tech-Branche bereits ein stark von Männern dominiertes Umfeld ist, müssen Menschen in Positionen wie der meinen sichtbarer sein. Dies ist der Schlüssel, um die nächste Generation zu inspirieren und eine integrative und vielfältige Zukunft zu gestalten.

Schon heute ist es für viele Technologieunternehmen schwierig, geeignete Talente zu finden. Und die Nachfrage nach jungen Mitarbeitern wird in den kommenden Jahren sprunghaft nach oben schnellen: Die Zahl der IT-Jobs wird bis 2024 um weitere 24 % wachsen. An Begeisterung für Technologie mangelt es jungen Frauen nicht. Wenn wir ihnen helfen, eine Zukunft in unserer Branche zu sehen, erschließen wir uns einen weitgehend ungenutzten Pool an Talenten. Wir müssen der Zeit voraus sein und heute bereits den Weg ebnen, um die künftige Generation in einem gleichberechtigten Umfeld willkommen zu heißen.

Perspektivwechsel

Eine der größten Gratwanderungen für Frauen ist es, als durchsetzungsfähig und nicht als aggressiv wahrgenommen zu werden. Unsere Vorgehensweise darf nicht als Bedrohung für unsere männlichen Kollegen gesehen wird, sondern als kooperative Zusammenarbeit mit ihnen. Im Wesentlichen geht es darum, dass wir gehört werden. Männliche Arbeitnehmer sind in der Tech-Branche vornehmlich älter und teilweise nicht bereit, ihre Perspektive zu ändern. Mit etablierten, traditionell eingestellten Führungskräften zu konkurrieren, ist eine Hürde für den Erfolg einer Frau auf dem Weg in die C-Ebene. Äußert sie, dass wir etwas ändern müssen, spürt sie schnell Gegenwind.

Männlichen Führungskräfte übersehen dabei jedoch leicht, dass Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen profitabler, sozial verantwortlicher sind und eine höhere Qualität der Kundenerfahrung bieten. Mehr Frauen in Führungspositionen sind besser für die Wirtschaft – Punkt.

Frauen arbeiten anders als Männer. Aufgrund unserer Lebensumstände denken wir in anderen Mustern, was sich für ein Unternehmen oder eine Branche als vorteilhaft erweist. Denn diese Denkmuster eröffnen neue Wege, sich Innovationen zu nähern und diese zu beschleunigen.

Eine andere Denke

Die Gleichstellung der Geschlechter ist in der Unternehmenswelt selbst im Jahr 2022 ein wichtiges, weil ungelöstes Thema. Bis heute müssen wir an Problemen arbeiten, mit denen sich viele Frauen konfrontiert sehen, wie beispielsweise mangelnde Aufstiegsmobilität und ungleiche Bezahlung. Die gute Nachricht lautet: Unternehmen sind dabei, mehr Frauen einzustellen. Denn die Führungskräfte der Wirtschaft wissen inzwischen sehr gut, dass Diversität den Umsatz steigert und den Unternehmen hilft, bessere und sicherere Produkte zu entwickeln. Denn Frauen denken anders. Es liegt in der menschlichen Natur, dass Männer und Frauen Dinge unterschiedlich wahrnehmen und unterschiedliche Ideen einbringen. Diese neuen Perspektiven führen zu besseren Problemlösungen und Leistungssteigerung auf höchstem Niveau.

Als EVP und GM von Ivanti weiß ich, wie wichtig ein Team mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen ist, und wie positiv sich diese Diversität auf das Geschäft und die Kreativität auswirkt. Fakt ist, dass die Zahl der Frauen in Führungspositionen in der Tech-Branche in den letzten Jahren langsam und stetig gestiegen ist. Um weitere Fortschritte zu erzielen, ist nun allerdings ein Stück Reflexion gefragt: Tech-Führungskräfte benötigen die Antwort auf eine elementare Frage: Wie gehen wir mit dem durch die Pandemie entstandenen „Always-on“-Arbeitsplatz in Zukunft um? Denn die Gefahr ist immanent, dass der durch die Pandemie verursachte Druck dazu führt, dass Frauen ihren Arbeitsplatz wechseln – oder ganz aus dem Berufsleben ausscheiden – so das Fazit einer neue Studie von Deloitte. Doch Frauen sind in der Tech-Branche mehr denn je nötig, denn es ist unerlässlich, dass wir eine Stimme haben, darüber wie unsere Zukunft aussehen soll.

Realität ist, dass die Gleichstellung der Geschlechter nach wie vor ein großes Problem darstellt. Frauen sind in der Unternehmenspipeline bis dato deutlich unterrepräsentiert. Auch wenn wir in den letzten Jahren weniger Fortschritte erzielen konnten als erhofft, bleibe ich optimistisch. In der neuen Welt, die durch die Pandemie entstanden ist, befinden wir uns auf einem unvermeidlichen Weg zu einer anderen Gesellschaft. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Inklusion wächst, und die Tech-Branche muss dies widerspiegeln. Wir wollen nicht jedes Jahr die gleichen Gespräche darüber führen. Ich bin überzeugt, dass dies in den kommenden Jahren auch nicht mehr erforderlich ist, wenn jeder Einzelne einen positiven Beitrag leistet.